Teil 7: Brasilien am Pranger?

sehr selten: Hinweise auf die WM in Rio de Janeiro
sehr selten: Hinweise auf die WM in Rio de Janeiro

Ein brennender Fußball fliegt über die Postkartenansicht von Rio de Janeiro. Überschrift: Tod und Spiele. So sieht das neue Spiegelcover von morgen aus. Als Spiegel-Online-Leser bekam ich schon heute einen Schreck, als ich dieses Cover als Vorankündigung auf meinem iPhone sah. Ohne bisher einen Artikel des neuen Magazins gelesen zu haben, fühle ich etwas Unstimmiges beim Betrachten des Covers. Fühle ich mich beleidigt? Weil mein Rio so ungünstig darauf aussieht?

 

Bei aller zulässiger Kritik an den hiesigen problematischen Verhältnissen habe ich manchmal den Eindruck, als fände ein journalistischer Wettbewerb in der Disziplin des Brasilien-Bashings in einigen deutschen Medien statt. Die Berichterstattung über die bevorstehende Weltmeisterschaft generiert aus meiner Sicht mehr und mehr zu einer Generalabrechnung mit dem Riesenland, dessen Funktionsgefüge nicht so einfach zu verstehen und zu erklären ist, wie es nicht nur Bildzeitungsjournalisten mit dem Spielen auf der Klaviatur vieler gängigen Klischees versuchen. Wie gesagt, ob die Spiegelartikel in die gleiche Kerbe hauen oder nicht, kann ich noch nicht sagen, da ich sie noch nicht gelesen habe. Beim Titelbild spüre ich auf jeden Fall eine Lust am Draufhauen und frage mich, ob Brasilien das verdient hat und wer es ggf. gegen übergriffige Kritik verteidigt.

 

Ich präsentiere das Spiegelcover beim Muttertags-Mittagessen den anwesenden Mitgliedern meiner brasilianischen Familie und berichte von den vielen sehr anklagenden Artikeln und Berichten, die ich in deutschen Medien gelesen oder gesehen habe. Ich rechne mit einem gewissen Widerspruch, mit Verteidigung und vielleicht sogar mit etwas gekränktem Patriotismus. Nichts dergleichen ist zu verzeichnen! Eine Tante meiner Frau, sie wohnt in der Nähe des Maracanã-Stadions, sagt, dass sie während der Spiele ihre Wohnung nur im Notfall verlassen will. Sie rechnet mit Tumulten. Auf ihrer Arbeitsstelle (sie ist Beamtin) freue sich niemand auf die WM. Keiner könne sich die teuren Eintrittskarten leisten und alle seien sauer, dass Milliarden in Stadien gesteckt würden, während Patienten in Krankenhäusern auf dem Boden liegen müssten. Eine andere Verwandte, die tief in der Nordzone Rios wohnt, bestätigt, dass sie in ihrem ganzen Umfeld niemanden kennen würde, der sich auf die WM freuen würde. Auch sie berichtet von der Wut auf die Regierung. Mit etwas Augenzwinkern gibt sie ihre Vermutung zum besten, dass sich die meisten Demonstrationen in der Südzone abspielen würden und scheint sich insgeheim darüber zu freuen, dass nun einmal das reiche Stadtgebiet dran sei und von Ausschreitungen betroffen sein könnte. Sie rechnet schon für den ersten Spieltag der WM mit einem neuerlichen Streik der Busfahrer. Mein italienischer Schwager hat für sich und meine Schwägerin schon Flugtickets gekauft. Während der WM will der ansonsten glühende Liebhaber seiner Wahlheimatsstadt Rio de Janeiro nicht in der Tropenstadt bleiben. Uff. Ich bin verblüfft. Es hat den Anschein, dass man es vollkommen in Ordnung findet, wenn die ganze Welt herablassend auf Brasilien schaut, wenn die ganze Welt sehen kann, wie schlecht und ungerecht Brasilien regiert wird. Meine Frage, ob man denn die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen will, der ganzen Welt auch die wundervolle Seite Brasiliens zu zeigen, die es neben den ganzen ernsthaften und nicht zu bagatellisierenden Problemen auch gibt, stößt auf gar kein Verständnis. Nur der Restaurantsbesitzer (sein Restaurant in Leblon ist an diesem Muttertag brechend voll) gibt sich optimistisch: „Die WM wird super werden. Jetzt gibt es diese Berichte (lange guckt er auf das Spiegelcover auf meinem iPhone, dann drückt er zur Bekräftigung seiner folgenden Aussage lange meinen Arm), aber wenn die Spiele beginnen, wird es vibrieren. Die Leute werden die Spiele lieben.“

 

Ich kenne tatsächlich keinen einzigen Brasilianer, der mit Blick auf die Infrastruktur seines Landes nicht total unzufrieden und kritisch ist. Diese Wahrnehmung findet in vielen Facebook-Postings eine weitere Bestätigung, wo die Verhältnisse hier mal mit mehr und mal mit weniger Humor angeprangert werden. Wünschen sich viele Brasilianer am Ende einen internationalen Pranger, eine Generalinspektion durch die WM, die die Fehler der Regierung aufzeigt, eine Bewegung, die durch internationalen Druck unterstützt werden könnte?

 

Auf den Straßen Rios ist derweil von dem bevorstehenden Weltereignis noch sehr, sehr wenig zu spüren. Kein Vergleich mit der in vielen Schildern und Events visualisierten Vorfreude auf die jährlich wiederkehrenden Highlights wie Karneval und Silvester.

 

 

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Kommentare: 6
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