Es gibt Leute, die müssen arbeiten, wenn alle anderen feiern: zu Weihnachten, an Silvester und vielleicht noch schlimmer, weil nur alle 4 Jahre stattfindend - während der WM bei einem Spiel der eigenen Mannschaft.
Der Pilot unserer Lufthansamaschine von Hamburg nach Frankfurt war auf jeden Fall ein WM-Fan. Vor dem Abflug zur exakten Zeit des Matches Deutschland-Frankreich um 18.00 Uhr Ortszeit gab er noch vor den Sicherheitsausführungen der Stewardess die Spielaufstellung durch und versprach, auch über alle Tore sofort berichten zu wollen.
Die Passagiere waren nicht die größten Fußballfans, sonst wären sie wohl zu einem anderen Zeitpunkt gereist. Trotzdem sorgte die Durchsage, dass ein Tor gefallen war und Deutschland damit mit 1:0 führte nach einer Viertelstunde Flugzeit für immerhin gemäßigten Jubel. Eine Stewardess hängte die Deutsche Flagge über einen Abteilbügel an der Grenze zur Business Class im Passagierraum und erntete damit ein gemeinschaftlich freundliches Grummeln. Ich dachte an meinen Freund Fabian, der das Spiel live im Maracanã verfolgte und stellte mir vor, wie er jetzt wohl jubeln würde.
Planmäßig landeten wir um 18.50 in Frankfurt. Die zweite Halbzeit sah ich stehend an einer Bar im Terminal 2, zusammen mit Unbekannten unterschiedlicher Nationalitäten - unter anderen zwei Franzosen, die ihr Team vergeblich mit dem Singen der Marseillaise anfeuerten, während meine Tochter im flamengofarbenden Deutschlandtrikot die Rollgasse vor der Bar wieder und wieder entlang fuhr und damit dem deutschen Team mehr Glück brachte, als die singenden Franzosen ihrer französischen Mannschaft.
Um 22:15 startete unser Nachtflug nach Rio. Der Kapitän und auch der für uns zuständige Steward waren keine WM-Fans. Das 1:0 für Brasilien hatte ich trotzdem noch vor dem Abflug auf dem iPhone im Liveticker von Spiegel-Online mitbekommen und mich zusammen mit einigen polnischen Fußballfans an Bord darüber gefreut. Die polnische Reisegruppe (durchtrainierte junge Männer und zwei Frauen) hatten die Reise nach Rio bei einem Gewinnspiel der polnischen Biermarke WARKA gewonnen, wie der einzige Deutsche Gewinner der Gruppe zu berichten wusste. Gemeinsam saßen wir ganz hinten in der riesigen Lufthansamaschine, meine Tochter und ich diesmal in einer eigenen Zweierreihe, für die ich nach der Erfahrung beim Hinflug gerne 50 Euro extra bezahlt hatte. Mit Sorge beobachtete ich, dass die Polen offenbar den ganzen Schnaps, den sie im Duty Free reichlich erworben hatten, bereits auf dem Flug nach Rio konsumieren wollten. Die Becher wurden gefüllt und geleert, leere Schnapsflaschen zeugten davon, dass hier unverdünnt getrunken wurde. Jedoch blieb eine große Wirkung aus. Die Polen blieben ausgesprochen höflich, wenn sie auch vom leicht genervten Steward mehrfach dazu aufgefordert werden mussten, die Sitzplätze einzunehmen, damit das Essen um halb zwei Uhr nachts (diesen Quatsch mit dem nächtlichen Essen gibt es nur bei der Lufthansa) zusammen mit Lufthansa-Schnaps serviert werden konnte. Um zwei Uhr schliefen alle (nur ich nicht) und mein Staunen war nicht schlecht, denn der harte Alkohol zeigte außer plötzlicher Müdigkeit keine weiteren Begleiterscheinung bei den sehr freundlichen Polen. Vor dem Einschlafen hatte der Deutsche Gewinner noch erfahren, dass Brasilien 2:1 gewonnen hatte. Von dem hohen Preis, den Neymar für diesen Sieg bezahlen musste, erfuhr ich aber erst vor der Passkontrolle.
Der Flug war ruhig gewesen und ich dankbar darüber. Meine Tochter hatte gut geschlafen. Unter den vielen deutschen WM-Fans, die nun mit uns zusammen in einer großen Gruppe vor dem Gepäckband am Internationalen Flughafen Rio de Janeiros warteten waren offenbar einige, die das erste Mal Rio besuchen wollten. Der eine oder andere zeigte jedenfalls Nerven, als das Gepäckband wieder und wieder zum Stehen kam und die ohnehin quälend langsame Gepäckausgabe noch weiter verzögerte.
Doch zum Schluss erwartete alle Passagiere des Nachtfluges nach Rio das Empfangskomitee der WARKA-Brauerei mit Spruchband und jungen Brasilianerinnen und danach ein wundervoller Sonnenaufgang in der Cidade Maravilhosa.
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Jürgen Kühn (Sonntag, 06 Juli 2014 21:25)
Liebe Delaine und lieber Robert,
wir fühlen uns SEHR privilegiert, von Euch direkt Infos über die WM zu erhalten. Vielen Dank für Delaines Snapshots und Deinen Bericht. Hier war der Sieg über Portugal der Auslöser für nie gekannte Begeisterung. Nun müssen wir auch die beiden letzten Spiele gut hinter uns bringen. Werdet Ihr direkt dabei sein? Wir versuchen, Euch auf den Tribünen zu finden!
Hattet Ihr Mitte Juni an der Ostsee auch so mieses windiges Wetter? Wir werden demnächst nur im Juli deutschen Urlaub machen. Ob Claudia wieder zu Haus und Euer Vater aus Glücksburg zurück ist?
Wir drücken unsere Daumen, vor allem für D, hilfsweise aber auch für Bra!
Herzliche Grüße Euer Jürgen