ROBERTS WM BLOG 2014

Teil 17: Die WM ist vorüber, die WM bleibt - von Thomas Kühn

Dr. Thomas Kühn
Dr. Thomas Kühn

Mein Bruder Thomas Kühn hat für die ganze Familie das Land Brasilien entdeckt. Zur WM war er natürlich in Rio. Er lebt mit seiner Familie in Bremen. Heute zieht er in seinem Gastblog für www.wmrio.de eine erste Bilanz der Spiele.

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Teil 16: EINS ZU SIEBEN

Vor dem Spiel Brasilien gegen Deutschland war ich ungewöhnlich nervös. Diese Weltmeisterschaft ging mir echt nah, nicht zuletzt wegen unseres Projekts wmrio.de. Aber trotzdem konnte ich mir den großen Grad meiner Nervosität nicht damit erklären. Irgendetwas lag in der Luft!

 

Dabei lief doch alles wie am Schnürchen. Am Vormittag hatte ich dem NDR noch ein Liveinterview gegeben. Das deutsche Trikot, das ich mir in Flensburg gekauft hatte, war rechtzeitig trocken geworden. Plätze beim Fan-Kiosk waren reserviert. Die Nervosität wollte aber nicht schwinden. Auch nicht auf dem Weg zum deutschen Fan-Kiosk, den ich mit meinem Bruder, der am Morgen aus Rom kommend in Rio eingetroffen war, eingeschlagen hatte. Im Meer der gelben Trikots kam ich mir mit meinem deutschen Flamengoshirt wie ein feindlicher Eindringling vor.

 

Was für eine fanstarke Oase war der deutsche Kiosk in Leme geworden! Gestern sah ich das Match Argentinien vs. Holland im Sindicato do Chopp, dem Treffpunkt der Holländer und musste feststellen, dass die Holländer das langweilige Spiel und auch die Niederlage erstaunlich gelassen ertrugen. Ganz anders die deutschen Fans am Dienstag, die wir ja auch in Bild und Ton auf unserem Videoblog eingefangen haben. MC Gringo heizte vor Spielbeginn das ohnehin sehr selbstbewusste deutsche Publikum mit seinem deutsch-portugiesischen Rap Hit „Deutscher Fußball ist geil!“ noch weiter auf. Ich blieb nervös. Es braute sich etwas zusammen, wenn ich gewusst hätte was! Ein ungewöhnlich frischer Wind fegte durch den Kiosk und als ich mich umdrehte, sah ich ein Unwetter aufziehen.

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Teil 15: WM über den Wolken - Nachtflug nach Rio 2

Hamburg Airport
Hamburg Airport
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Teil 14: WM-freie Zone Kopenhagen

So feiern Dänen ihren Schulabschluss!
So feiern Dänen ihren Schulabschluss!
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Teil 13: Nachtflug nach Flensburg

 

"Chi Chi Chi Le Le Le" gröhlt es laut aus einer Gruppe von fröhlichen Menschen mit roten T-Shirts im Check-In-Bereich des Terminal 2 am Internationalen Flughafen von Rio de Janeiro. Meine sechsjährige Tochter versteht nur "Xi Xi" (Schi Schi) und das bedeutet auf Portugiesisch Pipi. Ich erkläre ihr, dass die Rothemden Chilenen sind, die nach dem Wahnsinnserfolg ihrer Mannschaft gegen Spanien gutgelaunt den Rückflug antreten wollen und dass ihr Rufen kein Ausdruck von kollektivem Harndrang ist.

 

Fliegen wollen wir beide auch, das hatten wir am Morgen zusammen entschieden. Einen Nachtflug nach Frankfurt haben wir gebucht. Ziel der Reise ist Flensburg, unsere Heimatstadt im hohen Norden Deutschlands. Bis dahin ist es aber noch weit. Eingequetscht auf den beiden Mittelplätzen einer Viererreihe der Lufthansa Boing 747-400, umrahmt von zwei netten, aber ausgesprochen korpulenten jungen Männern, die sich in jeder Hinsicht ausdehnen und uns zusätzlich beengen frage ich mich, ob diese Idee vom Vormittag wirklich so toll war. Immerhin ist WM in Brasilien und Rio die inoffizielle WM-Hauptstadt und die Perspektive auf das Fehlen jeglicher Privatssphäre für die kommenden 11 Stunden ist nicht prickelnd. Aber meine Tochter und ich möchten nicht bis zum Winter (Sommer in Rio) warten, bis wir unsere Lieben in Deutschland wiedersehen.

 

Außerdem bin ich gespannt darauf, wie sich das Bild auf die WM, auf Brasilien und vorallem auf Rio sich von Deutschland aus darstellt.

 

Wenn der Flug mit Start und Landung nicht so schön turbulenzfrei gewesen wäre, würde ich mich über einiges beklagen können, so aber verbietet sich das. Der Flug von Rio nach Frankfurt schlaucht sowieso immer viel mehr, als eine Reise in umgekehrte Richtung.

 

Dass wir wieder in Deutschland sind merken wir im Flugzeug von Frankfurt nach Hamburg, wo meine Tochter und ich die Einzigen sind, die auf dem fünfundvierzig-minütigen Flug (beim Quartettspielen) sprechen, obwohl auch dieser Flieger voll besetzt ist. Ok, hier sind fast nur Business-Leute im Flugzeug, aber trotzdem ist es schreiend still für jemanden, der gerade aus Rio kommt.

 

Dann in Hamburg passiert etwas, was wir noch nie erlebt haben: Unser Koffer (wir haben zum erstem Mal nur einen) ist nicht mitgekommen. Gegen die Freundlichkeit der Lufthansa-Gepäckverlusts-Bearbeiterin ist aber keine Wut gewachsen. Mit einem Leihkindersitz und dem Versprechen einer Kostenerstattung von 50% auf eine Grundaustattung von Kleidern für meine Tochter und mich setzen wir uns in den Leihwagen, auf dem Weg zum Shopping - kein Spaß nach einer halben Weltreise!

 

Nach all dem Stress sitze ich mit meiner inzwischen wirklich müden Tochter und vollen Einkaufstüten in einem Ford-C-Max Leihwagen (1,0 mit 100PS, wie geht das?) und denke: jetzt schön entspannen auf der A7.

 

Es folgt aber ein optischer Spießrutenlauf. Große Planen mit unterschiedlichen Beschimpfungsvarianten, jeweils mit meinem Vornamen beginnend (Robert vernichtet Höfe usw.) heißen mich nicht willkommen. Vor der Autobahnausfahrt in meine heißersehnte Heimatstadt Flensburg nach einer Weltreise ohne Koffer und einer schlafenden Tochter an Bord dann der finale Planenspruch: Tschüs, Robert.

 

Wir kommen an, meine inzwischen wieder wachgewordene Tochter stürmt ihrem Onkel (einem recht erfolgreichen Fußballspieler) entgegen, ich hinterher. Der Fernseher läuft. Oliver Welke und Oliver Kahn auf dem Dach des Sofitels in Rio, im Hintergrund die Sichel der Copacabana - das Spiel: Uruguay-England.

 

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Teil 12: Deutsche Fußballparty an der Copacabana

Direkt am Strand: der deutsche Treffpunkt "TOR!"
Direkt am Strand: der deutsche Treffpunkt "TOR!"
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Teil 11:Die Eröffnung der WM 2014 – Die donnernde Sprachlosigkeit des ersten Tages

Waren da wirklich Menschen als Bäume verkleidet? Saßen da wirklich gelangweilte Indios in Kanu-Attrappen? Das alles in gleißendem Tageslicht und in einem halbleeren Stadion? Sollte das wirklich die Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft 2014 gewesen sein? Wer das wie ich ziemlich bescheuert fand, sollte sich, falls die Erinnerung daran verblasst ist, auf Youtube Szenen der Eröffnungszeremonie der 2006 in Deutschland ausgetragenen WM ansehen. Ich habe dies getan und verkneife mir deshalb besser weitere Kritik an den linkischen Aufführungen rund um eine nervöse LED-Kugel und schlucke auch den Spott herunter, den der gemeinsame und doch in jeder Hinsicht asynchrone Auftritt von Claudia Leitte und Jennifer Lopez in mir hat aufkommen lassen.

 

Verstörend fand ich dagegen die Sprachlosigkeit dieser WM-Eröffnung. Wie kann es sein, dass Präsidentin Dilma diese Spiele nicht gebührend eröffnet und auch die vielen Gäste in ihrem Land nicht so begrüßt, wie es sich gehört? Mangelnde Etikette waren hier sicherlich nicht der Grund, sondern vielmehr die sehr begründete Angst davor, im Stadion und vor Milliarden Fernsehzuschauern in aller Welt ausgebuht zu werden. Der Verzicht auf die Eröffnung einer solchen Großveranstaltung im eigenen Land ist aber kein gutes Zeichen. Es zeigt mangelnde Bereitschaft, Geschick und Mut, sich den wütenden Massen zu stellen. Stattdessen wird die fühlbare Störung dieser Spiele sogar bei der Eröffnung ignoriert und gerade dadurch besonders spürbar – vielleicht sogar überhöht. Es bleibt das Gefühl einer ungeklärten Situation – sehr schlecht! Und wenn nicht Dilma, wo war Pele? Konnte wirklich niemand gefunden werden, der ein paar Worte sprechen konnte?

 

Vielleicht brauchen die Massen ja keine Worte mehr. Eröffnungspräsentationen und Musik. Schnitt. Die Seleção kommt an und macht sich warm. Schnitt. Anpfiff. Nur noch bunte Bilder...

 

Nach diesem Debakel brauchte es einige Zeit, meine Frau dazu zu überreden, die Wohnung zu verlassen, um mit mir das Eröffnungsspiel am Strandkiosk in Leme anzusehen.

 

Etwas zu spät machten wir uns auf den Weg an den Strand von Copacabana. Viele Menschen in gelben Trikots waren mit uns in gleicher Richtung unterwegs. Die Atmosphäre auf dem Weg zum Strand war gespenstisch. Leere Straßen (!!!) und verrammelte Geschäfte, die sonst immer geöffnet sind. Dazu der Lärm kreisender Hubschrauber über uns. Explodierendes Feuerwerk mit dem hier so beliebten Sound von Schüssen. Am Strand dann ein Massenauflauf, wie sonst nur zu Carnaval. Martialisch aussehende schwarze Polizeiwagen auf dem Mittelstreifen der Av. Atlântica. Vor dem Fifa Fan Fest gibt es eine Schlange von einem Kilometer. Dann, auf der Höhe vom Copacabana Palace, plötzlich eine Demonstration. In der Mitte der Straße fallen die ansonsten eher unambitioniert wirkenden Demonstranten vor allem dadurch auf, dass sie keine gelben Trikots tragen. Die Menschen mit den gelben Trikots dagegen sehen die Demonstranten offenbar als Teil des WM-Gesamtpakets und somit als weitere Touristenattraktion an, denn sie fotografieren und filmen sprachlos die ebenfalls sprachlos vorbeiziehenden Demonstranten. Einziger Aufreger sind zwei Frauen, die vor uns im Gesicht verschleiert aber mit nackten Busen den Demonstrationszug flankieren. Später werden wir sie im Fernsehen wiedersehen. In den Globonachrichten am Abend werden sie gezeigt - die Brustwarzen verpixelt! Unglaublich, da hier im Fernsehen fast nie etwas verpixelt wird – sogar gefasste Kriminelle oder Beschuldigte werde klar gesendet. Woher kommt die Angst der Brasilianer vor weiblichen Brustwarzen?

 

Auf einmal ist es vorbei mit der Sprachlosigkeit. Die Demonstranten jubeln laut. Hat etwa ein Brasilianer schon das erste Tor geschossen? Ja, aber wie sich wenig später für uns herausstellt, für das gegnerische kroatische Team.

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Teil 10: Bergexpedition in Copacabana - von Fabian Gude

Fabian Gude lebt mit seiner Familie seit 2013 in Rio de Janeiro. Heute schreibt er in seinem Gastblog auf wmrio.de von unserer Bergexpedition vom vergangenen Sonntag.

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Teil 9: Warum ich mich trotzdem auf die WM freue

Viel zu hohe Kosten für die WM, viel zu geringe Ausgaben für Schul- und Gesundheitswesen. Die Kritik ist berechtigt.

 

Die wenigsten Cariocas geben zu, dass sie sich aber in Wahrheit trotzdem auf die WM freuen. Das ist momentan nicht political correct in Rio de Janeiro.

 

Auch deutsche Reporter aus Rio melden fehlende WM-Stimmung in die deutsche Heimat und ignorieren die aus meiner Sicht sehr sympathische Eigenschaft der Carioca, vieles aus einer entspannteren Lebenssicht heraus erst auf den letzten Drücker anzugehen. Tatsächlich hat sich hier in den letzten Tagen in Sachen WM-Deko vieles getan. Und die gefälschten Brasilien-Trikots der Straßenhändler gehen weg wie warme Semmel – und zwar nicht an Touristen! Die Carioca kaufen Trikots!

 

Auch wenn ich einige meiner brasilianischen Freunde damit schocken werde folgt nun mein Bekenntnis, dass ich mich auf die WM freue.

 

Hier kommen meine 10 Gründe dafür:

 

Ich freue mich auf die WM in Rio, weil

 

- schon 2010 das WM-Erlebnis in Rio de Janeiro spektakulär war;

 

- das deutsche Trikot flamengofarben ist;

 

- die Forderungen der Demonstranten berechtigt sind, und die Welt jetzt zuguckt;

 

- ich wissen will, wie sich Deutschland gegen Brasilien in Rio anfühlen wird;

 

- ich auf die Rio-Touristen aus allen Ländern gespannt bin (die Stadt ist bereits voller Touristen);

 

- trotz aller Probleme die ganze Welt viel von Brasilien lernen kann;

 

- Deutschland Weltmeister wird (Deutschland vs. Armenien heute 6:1);

 

- Brasilien Weltmeister wird (Brasilien vs. Serbien heute 1:0);

 

- mein Panini-Sammelalbum fast voll ist;

 

- mir www.wmrio.de viel Spaß macht.

 

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Teil 8: Panini in Rio

Heute regnet es schon die ganze Nacht und den ganzen Vormittag in Rio. Optimales Wetter also, um einen neuen Blog zu schreiben!

 

18 Tage vor der Fußballweltmeisterschaft wird das bevorstehende Ereignis im Stadtbild langsam sichtbar. Vereinzelte Straßenzüge sind schon mit grüngelben Girlanden und brasilianischen Flaggen geschmückt. Shopping-Center genauso. Ab und zu sieht man Autos mit Fensteraufsteckflaggen.

 

Wer wie ich mit Panini-Sammelalben groß geworden ist weiß aber, dass es mit der WM immer erst dann ernst wird, wenn die Aufkleber und WM-Alben von Panini im Umlauf sind. In Rio de Janeiro ist das ganz genauso!

 

Das größte und authentischste WM-Vorbereitungsritual heißt Panini. Trotz der allgemeinen WM-Skepsis der Carioca werden die Panini-Bilder in Rio gekauft und getauscht, was das Zeug hält.

 

Kaum ein Kind oder Jugendlicher an unserer Schule kommt ohne Album zur Schule – sei es in der normalen labberigen Version oder in der Nobelfassung mit Hardcover (capa dura). Mädchen nutzen die Pausen zum Tauschen genauso wie Jungen. Eltern tauschen im Eingangsbereich der Schule die vom Schulvormittag übriggebliebenen Doppelten.

 

In Internetblogs kann man erfahren, wo und wann Panini-Bilder in der Öffentlichkeit Rios getauscht werden können. Die FAZ (David Klaubert) hat einen Straßenverkäufer gefunden und interviewt (Link zum FAZ-Artikel), der sich auf Panini-Bilder spezialisiert hat. Phillip Lichterbeck zitiert im Tagesspiegel(Link zum Artikel im Tagesspiegel) einen Witz: „Das einzige, was bei dieser WM funktioniert, ist das Klebealbum von Panini.“

 

Eine „Gruppe von Protestierenden“, so berichtete O Globo am 18. Mai, hat nun diese letzte Oase der WM-Glückseligkeit zu ihrem Angriffsziel erklärt. Auf Facebook haben die Aktivisten – so O Globo (Link zum Artikel von O Globo) - eine Bedienungsanleitung veröffentlich, wie man durch mit auf Spielergesichter aufgemalten schwarzen Masken manipulierte Bilder wieder in die Original-Panini-Packungen eintütet und in den Umlauf bringt. Ich habe aber noch von keinem Sammler gehört, der auf eine „gehäckte“ Panini-Packung gestoßen ist.

 

Für Proteste unter den brasilianischen Panini-Fans hat Panini selbst gesorgt. Fünf der insgesamt über 600 Bilder, die zu einem kompletten Album gehören, sind Werbebilder, welche auf im Album geschaltete Anzeigen geklebt werden sollen. Panini hat schnell reagiert: Wer die Werbebilder an Panini zurück schickt bekommt im Gegenzug die gleiche Anzahl an Spielerbildern erstattet.

 

Hier wie überall, wo Panini gesammelt wird, gibt es Spekulationen, in wie weit Panini von dem Versprechen abweicht, alle Bilder in gleicher Anzahl auf den Markt zu bringen (siehe auch Spiegel online vom 22.05.2014). Für diejenigen, die sich mit diesem Thema befassen kann ich zu Protokoll geben, den griechischen Spieler Manolas schon achtmal zu haben!

 

Zwischenzeitlich hatten die Panini-Fans durch eine Meldung Angst um ausreichenden Stickernachschub. Ein Transporter mit 300000 Bildern wurde in Rio gestohlen (Link zur Meldung auf Yahoo). Der befürchtete Engpass blieb aber schon deswegen aus, da 300000 Bilder mehr oder weniger in der Metropole kaum auffallen.

 

Ansonsten hat sich Panini mit dem Layout des aktuellen Albums viel Mühe gegeben. Besonders die Hardcover-Version wirkt von außen edel (leider sind innen die gleichen labbrigen Seiten, wie in der Heftversion). Das Album wirkt insgesamt aufgeräumter, als die Version von 2010, die ich noch im Schrank gefunden habe. Die Aufkleber sind auch besser und die Gesichter der Fußballer deutlich bärtiger (Spitzenreiter der Bärte ist Spanien), als noch 2010. Es gibt Mannschaften, die durchgehend grimmig dreinblicken oder solche, wie der des deutschen Teams, wo bis auf Klose und Neuer alle lächeln. Die Deutschlandseite sticht sowieso etwas aus dem bunten Layout des Albums heraus: Wohl in Anlehnung an das schwarz-weiße Wappen der Nationalmannschaft ist die Hintergrundfarbe grau...

 

Selbst wenn man ganz viel tauscht ist Panini ein teurer Spaß. Obwohl in Brasilien fast alles viel teurer ist, als in Deutschland, sind die Aufkleber hier aber erstaunlicher Weise tatsächlich günstiger: 5 Sticker kosten 1 Real (ca. 0,33 Cent). In Deutschland kostet das Päckchen 60 Cent!

 

Sind Paninis Rekordumsätze 2014 in Brasilien nicht ein Zeichen dafür, dass aller berechtigten Kritik an der FIFA und den Milliardenausgaben der Regierung zum Trotz doch eine heimliche Vorfreude auf die Spiele überlebt hat? Es bleibt in jedem Fall spannend!

 

 

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Teil 7: Brasilien am Pranger?

sehr selten: Hinweise auf die WM in Rio de Janeiro
sehr selten: Hinweise auf die WM in Rio de Janeiro

Ein brennender Fußball fliegt über die Postkartenansicht von Rio de Janeiro. Überschrift: Tod und Spiele. So sieht das neue Spiegelcover von morgen aus. Als Spiegel-Online-Leser bekam ich schon heute einen Schreck, als ich dieses Cover als Vorankündigung auf meinem iPhone sah. Ohne bisher einen Artikel des neuen Magazins gelesen zu haben, fühle ich etwas Unstimmiges beim Betrachten des Covers. Fühle ich mich beleidigt? Weil mein Rio so ungünstig darauf aussieht?

 

Bei aller zulässiger Kritik an den hiesigen problematischen Verhältnissen habe ich manchmal den Eindruck, als fände ein journalistischer Wettbewerb in der Disziplin des Brasilien-Bashings in einigen deutschen Medien statt. Die Berichterstattung über die bevorstehende Weltmeisterschaft generiert aus meiner Sicht mehr und mehr zu einer Generalabrechnung mit dem Riesenland, dessen Funktionsgefüge nicht so einfach zu verstehen und zu erklären ist, wie es nicht nur Bildzeitungsjournalisten mit dem Spielen auf der Klaviatur vieler gängigen Klischees versuchen. Wie gesagt, ob die Spiegelartikel in die gleiche Kerbe hauen oder nicht, kann ich noch nicht sagen, da ich sie noch nicht gelesen habe. Beim Titelbild spüre ich auf jeden Fall eine Lust am Draufhauen und frage mich, ob Brasilien das verdient hat und wer es ggf. gegen übergriffige Kritik verteidigt.

 

Ich präsentiere das Spiegelcover beim Muttertags-Mittagessen den anwesenden Mitgliedern meiner brasilianischen Familie und berichte von den vielen sehr anklagenden Artikeln und Berichten, die ich in deutschen Medien gelesen oder gesehen habe. Ich rechne mit einem gewissen Widerspruch, mit Verteidigung und vielleicht sogar mit etwas gekränktem Patriotismus. Nichts dergleichen ist zu verzeichnen! Eine Tante meiner Frau, sie wohnt in der Nähe des Maracanã-Stadions, sagt, dass sie während der Spiele ihre Wohnung nur im Notfall verlassen will. Sie rechnet mit Tumulten. Auf ihrer Arbeitsstelle (sie ist Beamtin) freue sich niemand auf die WM. Keiner könne sich die teuren Eintrittskarten leisten und alle seien sauer, dass Milliarden in Stadien gesteckt würden, während Patienten in Krankenhäusern auf dem Boden liegen müssten. Eine andere Verwandte, die tief in der Nordzone Rios wohnt, bestätigt, dass sie in ihrem ganzen Umfeld niemanden kennen würde, der sich auf die WM freuen würde. Auch sie berichtet von der Wut auf die Regierung. Mit etwas Augenzwinkern gibt sie ihre Vermutung zum besten, dass sich die meisten Demonstrationen in der Südzone abspielen würden und scheint sich insgeheim darüber zu freuen, dass nun einmal das reiche Stadtgebiet dran sei und von Ausschreitungen betroffen sein könnte. Sie rechnet schon für den ersten Spieltag der WM mit einem neuerlichen Streik der Busfahrer. Mein italienischer Schwager hat für sich und meine Schwägerin schon Flugtickets gekauft. Während der WM will der ansonsten glühende Liebhaber seiner Wahlheimatsstadt Rio de Janeiro nicht in der Tropenstadt bleiben. Uff. Ich bin verblüfft. Es hat den Anschein, dass man es vollkommen in Ordnung findet, wenn die ganze Welt herablassend auf Brasilien schaut, wenn die ganze Welt sehen kann, wie schlecht und ungerecht Brasilien regiert wird. Meine Frage, ob man denn die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen will, der ganzen Welt auch die wundervolle Seite Brasiliens zu zeigen, die es neben den ganzen ernsthaften und nicht zu bagatellisierenden Problemen auch gibt, stößt auf gar kein Verständnis. Nur der Restaurantsbesitzer (sein Restaurant in Leblon ist an diesem Muttertag brechend voll) gibt sich optimistisch: „Die WM wird super werden. Jetzt gibt es diese Berichte (lange guckt er auf das Spiegelcover auf meinem iPhone, dann drückt er zur Bekräftigung seiner folgenden Aussage lange meinen Arm), aber wenn die Spiele beginnen, wird es vibrieren. Die Leute werden die Spiele lieben.“

 

Ich kenne tatsächlich keinen einzigen Brasilianer, der mit Blick auf die Infrastruktur seines Landes nicht total unzufrieden und kritisch ist. Diese Wahrnehmung findet in vielen Facebook-Postings eine weitere Bestätigung, wo die Verhältnisse hier mal mit mehr und mal mit weniger Humor angeprangert werden. Wünschen sich viele Brasilianer am Ende einen internationalen Pranger, eine Generalinspektion durch die WM, die die Fehler der Regierung aufzeigt, eine Bewegung, die durch internationalen Druck unterstützt werden könnte?

 

Auf den Straßen Rios ist derweil von dem bevorstehenden Weltereignis noch sehr, sehr wenig zu spüren. Kein Vergleich mit der in vielen Schildern und Events visualisierten Vorfreude auf die jährlich wiederkehrenden Highlights wie Karneval und Silvester.

 

 

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Teil 6: Feuergefecht in Copacabana

23. April 2014

 

Als ich gestern den Teil 5 meines WM-Blogs mit dem Titel „Wie gefährlich ist Rio de Janeiro“ veröffentlichte, hatte ich noch keine Ahnung, wie plastisch die Antwort auf meine Frage schon am Abend auf mich warten würde.

 

Zu Fuß hatte ich mich auf den Weg gemacht, Freunde im gemeinsamen Stadtteil Copacabana zu besuchen. Irgendwie hatte ich schon ein mulmiges Gefühl, als mein Telefon piepte und Fabian mich warnte, dass in seiner Straße etwas los sei. In unmittelbarer Nachbarschaft zu der wunderschönen Straße, in der er mit seiner deutschen Familie wohnt, der Rua Sa Ferreira, liegt ein Komplex der Favelas Cantagalo und Pavão-Pavãozinho. Als ich mich auf der Rua Raul Pompéia der Sa Ferreira nähern wollte, knallte es auf einmal und ich sah eine große Rauchwolke über dem Tunnel, der durch den Komplex der Favelas hindurchläuft und der eine wichtige Verkehrsader im Stadtteil darstellt. Der Fahrradboy einer Wäscherei in der Rua Raul Pompéia rief PUMP GUN, PUMP GUN und dirigierte mich und noch zwei weitere Passanten ins Innere der Wäscherei. Andere Passanten hatten offensichtlich weniger Angst. Einer stellte sich mitten auf die Straße und zückte sein Handy, um Fotos zu machen. Es folgte ein heftiger Schusswechsel und alle Passanten suchten Schutz in Läden oder das Weite. Polizeiwagen vor dem Tunnel - Blitze, Schüsse und viel Qualm auf dem Berg über dem Tunnel. Der Wäschereibetreiber hatte nach fünf Minuten genug davon und zog das Metallrollo hinunter, um seinen Laden zu schließen. Ich überquerte laufend die Raul Pompéira und war nach kurzer Zeit auf der Avenida Atlântica, der weltbekannten sechsspurigen Promenadenstraße an der Atlantikküste der Copacabana. Hier war alles wie immer. Menschen flanierten oder saßen in den Strandbars. Nur an der Stelle, wo die Sa Ferreira in die Avenida Atlântica mündet, hatte sich eine kleine Menschenmenge gebildet, die den Rauch sehen konnte, die Schüsse waren auch zu noch hören. 20 Minuten später war ich zu Hause.

 

Auf Globo News verfolgte ich die Liveberichterstattung im Fernsehen. Begleitet von Telefonaten mit Fabian, dessen Familie zwar in unmittelbarer Nähe des Feuergefechtes war, aber zum Glück in der relativen Sicherheit ihrer Wohnung. Auch in die Sendungen Cidade Alerta und Brasil urgente zappte ich kurz rein. Überall wurde von „Demonstrationen“ oder „Protesten“ der Favelabewohner gesprochen. Ich fand beide Begriffe nicht treffend für das, was ich gesehen und gehört hatte – nämlich ein Feuergefecht mit schweren Waffen. Spiegel Online schreibt heute von „Krawallen“ die in Rio toben– genauso wenig treffend, wie ich finde.

 

Die Ursache dieser Schießerei in der Südzone Rio de Janeiro, exakt dort wo die beiden touristischen Stadtteile Copacabana und Ipanema auf einander treffen, war allem Anschein nach angeblich heftiger Übergriff von einigen Polizisten der UPP, die einen beliebten jungen Tänzer zu Tode geprügelt haben sollen. Daraufhin wurden Polizisten von Anwohnern angegriffen – also weder Krawall, noch Demonstration, am ehesten noch Protest.

 

Ein anderer Artikel auf Spiegel Online „Sechs Minuten bis zum Tod“ von Katharina Peters beleuchtet die Hintergründe detaillierter und liefert eine hochinteressante Quelle mit dem Link zu dem Video „Made in Brasil“, in dem angeblich genau jener junge Tänzer sein Leben in Rio zeigt und am Ende von Polizisten erschossen wird. Ich habe gerade mit Fabian telefoniert: Weder er noch ich haben bisher einen Verweis auf das Video in den brasilianischen Medien finden können. Kommt aber bestimmt bald und ich bin gespannt auf die Reaktionen...

 

Ätzend finde ich die Häme und die allem Brasilianischem gegenüber aufgebrachte Abfälligkeit einiger Kommentare auf die Spiegel Online-Artikel. Wie man denn nur eine WM in so einem Land stattfinden lassen könnte usw.

 

Zwar handelt es sich hier zweifelsohne um einen schweren Zwischenfall. Feuergefechte und Straßensperrungen solchen Ausmaßes mitten im Touristengebiet hat es lange nicht mehr gegeben. Sie sind eine Katastrophe für das Image von Rio de Janeiro und die bevorstehende WM. So etwas sollte sich nicht wiederholen!

 

Auf der anderen Seite könnten sie aber auch Merkmal dafür sein, dass sich die Bevölkerung nicht mehr alles gefallen lässt. Die WM zieht alle Blicke auf Brasilien und ist im Grunde so etwas wie eine Generalinspektion, die Brasilien nur gut tun kann. Dazu braucht es aber eine faire Bewertung und keine Vorverurteilung und vor allem keine Häme.

 

Heute ist es wieder ruhig an der Copacabana. Ich war schon auf dem Wochenmarkt und Fabian mit seinem Hund in der Rua Sa Ferreira spazieren. In diesem Moment toben definitiv keine Krawalle in Rio. Hoffentlich bleibt es so!

 

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Teil 5: Wie gefährlich ist Rio de Janeiro?

Ägyptische Tigermücke in unserem Büro
Ägyptische Tigermücke in unserem Büro

22. April 2014

 

Mücken:

Wie die Flugzeuge über der Brücke nach Niteroi immer in der gleichen Flugbahn den Stadtflughafen Santos Dumont ansteuern, so setzen heute morgen die Moskitos alle zwei Minuten ebenso immer in gleicher Bahn zum Landeanflug auf meinen Körper an, wo aber mein aufgeladenes Racket (brasilianisch: Racketschiii) auf sie wartet und sie alle mit einem lauten Knall und einem Blitz ziemlich theatralisch enden lässt. Ich liege noch im Bett in irgendeiner Pousada in der Nähe von Saquarema – es ist Ostern 2014. Verdammt viele Mücken gibt es hier, aber richtig bedroht fühle ich mich nicht. Anders ist die Situation in meiner Arbeitsstelle in Botafogo. Dort fotografierte ich neulich eine ägyptische Tigermücke. Diese Mückenart kann Dengue übertragen und meine Kolleginnen und ich tanzen schon morgens um 7.00 Uhr wilde Tänze mit dem Racket, um den Tigermücken im Büro den Garaus zu machen.

 

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Teil 4: Co-BACK-abana

16. April 2014

 

Für Ralf

 

Einmal am Tag duftet es in unserer Wohnung nach frischem Brot. Vier Jahre habe ich gezögert, bevor ich mir meine Britânica Brotmaschine kaufte, neu für umgerechnet 90 Euro - ein Spottpreis! Ein weiteres halbes Jahr scheiterten alle meine Backversuche mit der Maschine: Ich produzierte nur merkwürdige Fladen und Teigklumpen. Inzwischen gelingen mir richtig schöne Brote. Meine Freunde reißen sich darum, wenn einmal etwas übrig bleibt.

 

Brotbacken erdet Dich. Brot macht süchtig. Diese beiden Sätze meines Freundes Felix (das Felice, eines der besten Restaurants in Rio, ist seines) stimmen wirklich. Und hier in Rio, wo es nur an ausgesuchten Orten richtiges Brot zu kaufen gibt, gelten Felix’ Feststellungen doppelt. In Brasilien ist der Stellenwert von Brot zwar am Wachsen, im Vergleich zu Deutschland ist der Verzehr aber noch eher gering. In Brasilien wird mittags und abends warm gegessen.

 

In Deutschland habe ich immer gern und viel Brot gegessen. Trotzdem brauchte ich vier Jahre um zu erkennen, wie wichtig dieses Lebensmittel für mich ist. Mein Körper ist seit Jahrzehnten genau auf diese Kohlenhydratpakete geeicht und ich bilde mir ein, dass mich eigentlich nichts anderes so komfortabel satt macht und mich befriedigt wie leckeres, frisches Brot.

 

Die Brotsüchtigen unter den deutschen WM-Touristen sollten sich deshalb vorsichtshalber Brot aus der Heimat in den Koffer packen - am besten der Sorte "Weltmeister". Oder sie stellen sich in Brasilien auf Low-Carb um: leckeres Fleisch und frischen Fisch bekommt man überall. Das brasilianische Brot dagegen ist weich, noch weicher als Toastbrot und viel zu süß. Die Brötchen heißen Pão Frânces und sind ziemlich luftig.

 

Vielleicht liegt die neu entdeckte Lust am Backen auch in meinen Genen. Mein Opa mütterlicherseits, den ich leider nie kennen lernte, weil er sehr früh starb, brachte nach dem Krieg eine alte Bäckerei wieder zum Laufen. Sein Sohn (mein Onkel) und viel später mein Cousin Ralf erlernten das Konditorhandwerk (hat mit Brotbacken natürlich nur den Prozess des Backens gemein). In Bad Nenndorf führten sie viele Jahrzehnte eine renommierte Konditorei mit Café.

 

Mein Cousin Ralf ist vor vier Tagen vollkommen überraschend gestorben. Er war in meinem Alter und ich bin sehr traurig, dass wir wenig Kontakt hatten und dass es jetzt zu spät ist, mich mit ihm einmal wieder zu treffen. Als Kind bin ich ihm fasziniert durch die immer köstlich duftende Konditorei gefolgt...Ich weiß aber, dass er meine Blogs und Bilder aus Brasilien mochte. Wie hätte es ihm in Rio gefallen, wenn er mich einmal besucht hätte?

 

Die Zeit ist für uns alle begrenzt und das Kontakthalten mit meiner Familie und meinen deutschen Freunden über den Atlantik hinweg ist nicht immer einfach. Das ist der Preis für meinen Auslandsdienst, der mir so viel Spaß macht und mir so viele neue Perspektiven gibt. Mein Blog ist auch ein Versuch, die Leitung zu meinen Leuten aufrecht zu erhalten.

 

Die Brotbackmaschine produziert derweil nicht nur Düfte, sondern auch Erinnerungen und Wohlbefinden. Brotbacken erdet mich – in unserer Wohnung an der Co-BACK-abana.

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Teil 3: Nachtflug nach Rio

 

„Kommt jetzt das Flugzeug mit den Filmen?“ fragt mich meine sechsjährige Tochter und demonstriert damit schon eine für ihr Alter beachtliche Flugroutine. „Nein, erst im zweiten Flieger kommen die Filme“, antworte ich. Nachtflug nach Rio bedeutet für uns beide, dass wir nach Hause fliegen – zunächst von Hamburg nach Frankfurt und dann von dort weiter in die Tropen.

 

Fernweh, Heimweh, Flugangst, nerviger Alltag – die Rezeption der Überschrift „Nachtflug nach Rio“ und die damit beim Leser verbundenen Emotionen sind mit Sicherheit sehr unterschiedlich.

 

Für mich ist Fliegen die einzige Möglichkeit, meine Familie in Deutschland wiederzusehen. Wir fliegen einmal pro Jahr nach Deutschland und danach zurück nach Rio. Ein richtiger Vielflieger bin ich deshalb noch lange nicht. Fliegen ist für mich immer noch etwas Besonderes.

 

Und es ist und bleibt eine Herausforderung für mich! Die echten Vielflieger unter meinen Freunden kringeln sich wahrscheinlich vor Lachen auf dem Boden, wenn sie das lesen. Ich fliege ja auch nicht total ungern. Dazu bin ich zu gerne unterwegs und natürlich fasziniert mich auch das Unglaubliche am Fliegen. Diese irre schnelle Überwindung von Distanzen und die Tatsache, dass diese Riesenmonster wirklich abheben und man weit über den Wolken in ihnen drinnen sitzt und an seinem Tomatensaft schlürft.

 

Der Flug ist aber ein Preis, den man bezahlen muss, wenn man in Rio de Janeiro landen will.

 

Wenn ich in Deutschland von Brasilien und Rio berichte, löse ich Erstaunen und oft auch Reiselust und Neugier aus, gleichzeitig erklingt aber unisono: „Ach ja, alles schön und gut – wenn bloß der Flug nicht wäre!“. Der Flug ist das Hindernis, das viele nicht überwinden wollen oder können. Sicher ist ein Flug nach Rio de Janeiro je nach Saison nicht immer ganz billig zu bekommen. Ich meine aber zu spüren, dass die Kosten des Fluges nicht die eigentliche Hürde ausmachen. Ich denke hier an die Menschen, die wirklich gerne einmal nach Südamerika fliegen würden, die aber nicht die Sicherheitslage des Reiseziels oder Ähnliches  abschreckt, sondern einzig der Flug. Ich kann mir auch vorstellen, dass sogar hartgesottene WM-Fans sich letztlich nur durch den Flug vor einer Reise nach Brasilien abhalten lassen. Welche inneren Hemmschwellen werden nicht überwunden und wie ist der Flug in Wahrheit? Wie ist er, der Nachtflug nach Rio?

 

Wie gesagt, er ist eine Herausforderung. Es fällt mir schwer über Flugangst zu schreiben, weil ich die Angst gar nicht zulassen will. Aber natürlich ist sie da und man spürt sie auch bei manchen Mitreisenden, auch bei denen, die öfter fliegen. Darüber wird nicht geredet. Bei mir ist die Angst auch nicht permanent da, aber sie kommt in Wellen und besonders dann, wenn es längere Flugphasen mit Turbulenzen gibt.

 

Dort wo es 2009 die Air France Maschine auf dem Weg von Rio nach Paris über dem riesigen Atlantik erwischt hat, weil die Piloten in drei Minuten der Todesangst auf den Ausfall der Geschwindigkeitsanzeige hin wohl das Falsche taten (die verstörende Transkription des Dialogs im Cockpit während der letzten Minuten des Fluges ist auf Wikipedia zu finden), sind sehr oft große Unwetterzonen, die nicht zu umfliegen sind und die mit Turbulenzen einhergehen.

 

Ich habe aber auch schon vollkommen ruhige und turbulenzfreie Transatlantikflüge erlebt!

 

Als Vorbereitung auf die sozialen Verhältnisse in Brasilien und die Klassenunterschiede könnte das Boarding gelten. Während man die First Class mit ihren Schlafsitzen beim Einstieg nicht zu Sehen bekommt, muss man, um in die Holzklasse zu gelangen, an den geräumigen Plätzen der Business Class vorbei gehen, begleitet von den mitleidigen Blicken der bereits sitzenden Buisness-Class-Gäste. So fühlt es sich an, weniger privilegiert zu sein! Eine wichtige Erfahrung für Brasilien, die besonders in Rio de Janeiro im ständigen Wechselspiel von der Seite des Privilegierten, dann wieder aus der Sicht des weniger Privilegierten erlebbar ist.

 

Nach dem Start, den ich meistens genieße – Abheben ist toll – kommt die nächste Herausforderung immer dann auf mich zu, wenn der Fluggast in der Reihe vor mir seine Rückenlehne zurückdrückt und mir den wenigen Platz, den ich als Sitzriese mit 1,93m habe, noch weiter reduziert. Warum ich nicht am Notausgang sitze? Mit Kind nicht möglich!

 

Bei einem Langstreckenflug entsteht etwas Familiäres, ob man will, oder nicht. Die Fluggäste um dich herum werden dir vertraut. Schnell weißt du beispielsweise, mit welcher Stewardess nicht gut Kirschenessen ist. Die meisten Stewardessen und Stewards sind aber sehr nett und machen einen beinharten Job! Man gehört – bei allen Sympathien und spontanen Antipathien – einer Schicksalsgemeinschaft an: Alle wollen, dass die Zeit irgendwie schnell umgeht und dass man heil ankommt. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Fanerlebnis beim Fußballspiel besteht in der Hinsicht, wenn man sich mit vollkommen Fremden total freut, nachdem das eigene Team ein Tor geschossen hat. Es ist dem Gefühl nach einer geglückter Landung sehr ähnlich, manchmal klatschen die Passagiere ja sogar.

 

Die Airlines zeigen übrigens bei der Gestaltung der kleinen Welten, die sie da über den Atlantik jetten lassen, kleine Unterschiede. Wann wird das Licht zum Schlafen ausgeschaltet? Wann werden welche Getränke serviert? Das ist durchaus verschieden.

 

Ansonsten dauert der Flug von Frankfurt nach Rio de Janeiro knapp 12 Stunden (stundenlang fliegt man dabei nur über Wasser und bekommt eine Ahnung von der Dimension des Atlantiks).

 

Es gibt verschiedene Strategien, diese Zeit herum zu bekommen. Ich habe von Reisenden gehört, die auf den Gebrauch von Schlaftabletten schwören. Kommt nicht in Frage, wenn man mit einem Kind fliegt. Sich schnell betrinken wäre möglich: Normaler Weise wird Wein, Bier und bei der Lufthansa auch Schnaps in ausreichender Quantität gereicht. Würde ich von abraten wollen. Filme sehen? Eigene Videomonitore mit einer großen Auswahl auch an aktuellen Filmen sind bei den meisten Airlines der Standard. Meine Tochter schwört darauf und freut sich wirklich auf den Langstreckenflug, weil sie sich endlich einmal Filme „satt“ gönnen kann. Mir hilft das alles nicht. Ich kann mich nicht auf so einen kleinen Monitor konzentrieren. Ich kann auch kaum schlafen und wenn, dann nur sehr kurz. Ich döse vor mich hin. Träume von Rio. Stehe nachts auf und gehe auf und ab und bewundere die vielen Fluggäste, die wirklich schlafen können. Irgendwie geht die Zeit trotzdem vorbei. Ich esse grundsätzlich alles, was mir serviert wird und schlage auch bei dem noch zu, was meine Tochter übrig lässt. Zwar läuft in der Mitte des Fluges die Uhr nach meinem Empfinden etwas zäh, aber irgendwann sind die 12 Stunden wirklich um. Die letzten zwei Stunden vergehen dann für mich meistens wie im Flug.

 

Mit etwas Glück bekommt man bei der Landung von der Schönheit Rio de Janeiros einen ersten Eindruck. Das Langstreckenflugzeug landet auf dem Internationalen Flughafen, der sich auf der Insel Ilha do Governador befindet. Nach langem Gleiten über Wasser setzten wir sicher auf brasilianischem Boden auf. Trotz der 12 Stunden Flugzeit bin ich am Zweifeln: Können wir wirklich schon in Rio sein? Ist es möglich? Ich bin froh, dass wir es wieder einmal geschafft haben, fühle mich ein wenig müde aber zu Hause. Meine Tochter hat nur drei Filme gesehen und ist nach 8 Stunden Schlaf topfit. Alle Ängste und Strapazen sind vergessen. Wir tauchen wieder ein in die Cidade Maravilhosa....

 

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Teil 2: Rote Fußballfelder

Franz Beckenbauer: WM 74
Franz Beckenbauer: WM 74

30. März 2014

 

Die erste WM, an die ich mich erinnere, ist die WM 1974. Diese Weltmeisterschaft begann für mich mit einer televisionären Irritation. Wir wohnten in einer Reihenhaussiedlung in Flensburg. Die Eltern meiner Freundin Julia hatten sich den ersten Farbfernseher der Siedlung angeschafft – eine Sensation! In Schaufenstern hatte ich schon Farbfernseher gesehen, aber zu Hause hatten wir noch ein großes Schwarz-Weiß-Gerät mit fünf Programmtasten (direkt am Gerät, ohne Fernbedienung), von denen nur die ersten drei Tasten mit Sendern belegt waren. Mehr gab es nicht! Ich war schon damals technikbegeistert und versprach mir sehr viel vom Farbfernsehen. Umso größer war meine Enttäuschung über das Gerät der Nachbarsfamilie: Es zeigte nicht die echten, wahren Farben, sondern einfach irgendwelche! Während meiner ersten Begegnung mit dem Farbfernseher lief nämlich gerade ein WM-Spiel auf dem Bildschirm. Zu meinem Entsetzen war das Fußballfeld aber nicht rot, sondern grün! Ich reklamierte diesen Umstand heftig und war von niemandem zu überzeugen, dass Fußballfelder in Wahrheit wirklich grün waren. Meine Eltern spielten in den siebziger Jahren täglich stundenlang Tennis. Ich wuchs eigentlich im Tennisclub Mürwik auf. Dort gab es rote Aschplätze. Warum sollten Fußballfelder also grün sein? Die WM-Spiele, die ich auf unserem Schwarz-Weißfernseher mit meinem Vater sah, wurden in meinem Gehirn also auf roten Fußballfeldern gespielt. Ich glaube, so richtig begann ich mich mit den grünen Feldern erst anzufreunden, als ich endlich – wie alle meine Grundschulfreunde zuvor – ein Buch bekam, das es nur bei EDUSCHO zu kaufen gab: Franz Beckenbauer – WM 74. Zu diesem Zeitpunkt war die WM schon gelaufen und Deutschland hatte in Deutschland gewonnen. Ein Wahnsinn. Jeden Tag sah ich mir die farbigen Seiten dieses Buches an und las die Berichte vom Trainingslager in Malente. Das Buch hat sich für immer komplett abgespeichert bei mir. Helmut Schön küsst den Pokal, Sparwasser schießt das 1:0 gegen die BRD, Paul Breitners Lockenkopf usw.

 

Kurz nach dem WM-Sieg der deutschen Mannschaft erinnere ich mich an eine Szene im Tennisclub. Ich jubelte wohl, doch ein Freund und Tennispartner meiner Eltern wollte mich aufziehen: „Wir haben gewonnen? Nein, wir haben 1954 gewonnen, aber jetzt?“ Auf diese Weise erfuhr ich, dass wir vor vielen tausend Jahren schon einmal Weltmeister waren – in einer Zeit, wo es fast noch gar keine Fernsehapparate gab. Witzig, dass 1954 damals an 1974 näher dran war, als 2014...

 

Hier in Rio werden anlässlich der WM die Verkaufszahlen für Fernsehgeräte in die Höhe schnellen, wie wohl fast überall sonst auf der Welt. Heute sind es riesige (seit neuestem gebogene) Flachbildschirme, schärfer als das wahre Leben in 4K oder 3D oder alles zusammen. Das Fernseherlebnis ist längst dem originalen Erlebnis im Fußballstadion überlegen, wo ich zum Beispiel immer auf die Wiederholungen im Zeitraffer aus 8 verschiedenen Perspektiven vergeblich warte. Vielleicht ist das ein Trost für alle, die wie ich bisher keine Karten für ein WM-Spiel bekommen habe (ich kenne persönlich nur zwei Menschen, die Karten bekommen haben).

 

Die Wahrnehmung der WM 2014 in Brasilien wird besonders von der Abbildung des Landes und der Spiele im Fernsehen abhängen. Schon deshalb, weil viele Zuschauer sich kein eigenes Bild über Brasilien machen können, da es einfach zu weit entfernt ist.

 

Heute ist Sonntag – ich habe frei und sitze mit meiner Familie in unserem Club (kein Tennisclub, obwohl es hier auch rote Tennisplätze gibt). Ein herrlicher Herbsttag bei 27 Grad und von Krise subjektiv keine Spur. Aber eben auch eine Realität genau wie der Bericht auf Spiegel-Online von heute: „Militär übernimmt Kontrolle in Favelas“.

 

Die Besucher, die mit offenen Augen zum ersten Mal durch Rio laufen, werden überrascht sein, wie sehr das eigene Bild von Rio de Janeiro vom Fernseh- und SPON-Image abweichen kann, in etwas so wie rote von grünen Fußballfeldern.

 

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Teil 1: Prolog

Sieht verdammt echt aus!
Sieht verdammt echt aus!

29.03.2014

An der bevorstehenden Weltmeisterschaft interessiert mich das Gesamtpaket des Ereignisses. Obwohl ich seltsamer Weise immer mehr mit Fußball zu tun bekomme, bin ich bei Weitem kein Experte dieser Sportart. In sportlich fachmännischer Hinsicht wird dieser Blog kaum glänzen können.

 

Das Aufeinandertreffen von Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen in einem Gastland, das gegensätzlicher gar nicht sein könnte und das noch dazu in einem großen Umbruch steckt, wird mit Sicherheit Beobachtungen ermöglichen, die selten und interessant sind. Ich hoffe, dass ich mit diesem Blog eine spannende Perspektive auf die WM in Brasilien bieten kann.

 

Seit 2009 lebe ich in Rio de Janeiro. Auf meiner Website www.motivARTion.com hatte ich bereits vor vier Jahren einen Blog namens WM-Erleben – mit ergänzenden Berichten zu dem Blog meines Bruders Thomas, der direkt aus Afrika auf seiner Website www.kultbrasil.de schrieb. Das hat mir viel Spaß gemacht!

 

Auf die jetzige WM 2014 wollte ich mich deshalb gut vorbereiten. Ich sicherte mir schon 2010 meine Domain wmrio.de und drehte mit meiner Frau Delaine bisher acht Videoblogs, die auf einem anderen Wahrnehmungskanal Brasilienfeeling rüberbringen sollen, als es Fotos und Worte können.

 

In 74 Tagen geht es also wirklich los und ich bin sehr gespannt, was das mit Hochspannung erwartete Event mit meiner Wahlheimatstadt Rio de Janeiro anstellen wird. Einige meiner hiesigen Freunde erwarten ein organisatorisches Desaster und chaotische Begleitumstände. Andere sind sicher, dass sich alle Befürchtungen in Eitelsonnenschein auflösen und freuen sich stattdessen auf ein wundervolles Fest im fußballverrückten Brasilien.

 

Viel hat sich in den letzten Jahren im Vorfeld der Großereignisse WM und Olympiade schon verändert. Die Preise sind explodiert und die Sicherheit hat sich trotz massiver Anstrengungen der Regierung so verschlechtert, dass diese Verschlechterungen im Alltag spürbar sind.

 

Wird es gelingen, diese trüben Vorzeichen stimmungsmäßig zu überwinden? Wird es Proteste und Demonstrationen geben? Was passiert, wenn das brasilianische Team schon im Achtelfinale rausfliegt? Wie werden die vielen Besucher Brasilien erleben? Werden die gängigen Brasilienklischees die Oberhand behalten oder wird das Land neu entdeckt werden? Für welche Mannschaft wird meine sechsjährige deutsch-brasilianische Tochter sein, wenn Deutschland und Brasilien aufeinander treffen?

 

Ich bin – wie gesagt - echt gespannt und freue mich jetzt schon auf möglichst viele Ergänzungen und Kommentare dieses Blogs aus Brasilien und Deutschland!

 

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Caravelas, Bahia: Delaines Videoblog 8

25. März 2014

Caravelas ist ein fantastischer Ort im Süden Bahias. Wir haben dort schon zum zweiten Mal unsere Karnevalsferien verbracht. Delaines neuer Videoblog zeigt Euch die Schönheit der Landschaft und Bilder vom Carnaval de Rua - dem brasilianischen Straßenkarneval!

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Delaines Videoblog 7: SUGARLOAF

Noch ein kurzer Videoblog direkt vom Zuckerhut: SUNSET, SUGAR, SUGARLOAF!!!

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Delaines Videoblog 6: Búzios

Endlich ein neuer, kleiner und feiner Videoblog von Delaine! Viel Spaß mit tollen Aufnahmen aus Búzios!

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Joachim Gauck in Rio de Janeiro

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Robert Kühn
Robert Kühn

Robert Kühn ist Künstler, Lehrer und Blogger. Seit 2009 lebt er in Rio de Janeiro.